„Ich habe mir nie vorgenommen, einen Krimi zu schreiben“
Rosa Ribas las bei InternationalPoetry aus ihrer Barcelona-Trilogie rund um die Journalistin Ana Martἱ. Gastgeber war das Museum für Gegenwartskunst.
Rosa Ribas ist eine Art Grenzgängerin. Sie wurde 1963 in El Prat de Llobregat geboren, ganz nahe am Flughafen von Barcelona. Geräuschpegel sind ihr also wohlvertraut. Vielleicht schreibt sie deshalb so gerne in Cafés. Rosa Ribas ist promovierte Romanistin und Krimiautorin. Sie lebte zwischen 1991 und 2021 in Berlin und Frankfurt und kehrte dann in ihre Heimatstadt Barcelona zurück. In Deutschland fühlte sie sich seinerzeit zu Hause, als Heimat galt ihr Spanien. Nach ihrer Rückkehr haben sich die Definitionen und Gefühle verschoben: „Wenn man lange im Ausland war, gibt es kein Zurück mehr, man ist verändert.“ Deutschland ist ihr über 30 Jahre hinweg auch Heimat geworden. Diese Konstellation eröffnet spannende Blicke auf das Verhältnis zwischen Spanien und Deutschland. Ribas: „Ich werde immer zwischen diesen beiden Welten leben.“ Davon erzählte sie bei InternationalPoetry@Rubens im Rahmen der Festwoche zum Uni-Jubiläum. Moderiert wurde die Lesung von Dr. habil. Isabel Maurer-Queipo.
Zu Gast war das Format unter dem Titel „Black Friday“ im Museum für Gegenwartskunst. Denn nicht nur die Krimis von Rosa Ribas durchzieht eine spannungsgeladene Düsternis, Gleiches gilt für die Werke des ebenfalls aus Barcelona stammenden Künstlers Antoni Tàpies, der 1972 – im Gründungsjahr der Universität Siegen – mit dem Rubenspreis ausgezeichnet wurde. Seine Werke erläuterte Ann-Katrin Drews.
„Ich wollte die Erfahrung machen Ausländerin zu sein“, so die Autorin zu ihrem Umzug in den Norden. Und: „Deutsche Literatur und auch die Oper haben mich immer interessiert. Ich wollte die Oper verstehen und die Literatur lesen.“ In Barcelona lernte sie vorab ein wenig Deutsch: „In Berlin habe ich gemerkt, dass ich nichts verstehe.“ Das hat sich binnen der Jahrzehnte grundlegend geändert. Heute ist Rosa Ribas in beiden Sprachen daheim. Ihr eigener kultureller Hintergrund durchweht ihre Bücher. Auch Kommissarin Cornelia Weber-Tejedor bewegt sich zwischen den Kulturen. Sie ermittelt in Frankfurt, ist aber mit einem Spanier verheiratet. Journalistin Ana Martἱ lebt und ermittelt im Barcelona der Franco-Zeit, die drei Romane („Das Flüstern der Stadt“, „Die große Kälte“, „Auf der anderen Seite der Ramblas“) entstanden jedoch vierhändig, in Koproduktion mit Sabine Hofmann.
Ribas zu ihren Anfängen als Autorin: „Ich habe deutsche Literatur auf Spanisch geschrieben.“ Für Spanier ist Deutschland ein eher unbekanntes Land: „Ich wollte, dass Spanier die Stadt Frankfurt und Deutschland verstehen.“ In Frankfurt arbeitete Rosa Ribas als Lektorin an der Goethe-Universität. Bei Besuchen von Freunden und Verwandten aus der Heimat lernte sie unterschiedliche Sichtweisen kennen. Der Vater definierte Schrebergärten im Vorbeifahren als Favelas, Spanier nehmen Frankfurt vor allem im Zusammenhang mit Wurst wahr. Und das, obwohl viele Spanier als Arbeitskräfte nach Deutschland gekommen waren. Ribas: „Es gibt in Spanien kaum Bücher über Migration. Wir haben verdrängt, dass wir sehr arm waren.“ Erst 1952 wurden in Spanien die Lebensmittelmarken abgeschafft. Der Bürgerkrieg hatte 1939 geendet.
Grundsätzlich nimmt sich Rosa Ribas zu Beginn eines Buches nicht vor, einen Krimi zu schreiben: „Dann wird es dunkler und dunkler, und am Ende ist es ein Krimi“. Zur Trilogie rund um Ana Martἱ: „Die 50er Jahre waren in Spanien eine düstere Zeit.“ Sie als Autorin habe interessiert, wie das Leben in dieser Zeit vor allem für Frauen gewesen war. Frauen hatten nur drei Betätigungsfelder: Heim, Küche, Kirche. Ana Martἱ bricht aus diesem Schema aus. Rosa Ribas: „So sind das auch historische Krimis geworden.“ „Das Flüstern der Stadt“ spielt im Jahr 1952, in dunkler Diktatur-Zeit. „Die große Kälte“ ist im Jahr 1956 auf dem Land angesiedelt: „Das Land ist Mittelalter.“ „Auf der anderen Seite der Ramblas“ erzählt über das Leben im Jahr 1959. Im Zuge des Kalten Krieges kommen die Amerikaner nach Spanien, das Franco-System wird anerkannt, Spanien öffnet sich.
Rosa Ribas las in Spanischer Sprache aus dem ersten Teil der Trilogie. Isabel Maurer Queipo übersetzte. Dabei trat so manche Spezifität der jeweiligen Sprache zutage. InternationalPoetry@Rubens wird von der Dieter-und-Christa-Lange-Stiftung unterstützt.